Selbstverständnis

Selbstverständnis der Sauerkrautfabrik in Harburg

Im Oktober 2012 hat sich die Initiative „Ja zur Nö“ gegründet, welche das Ziel hatte, ein selbstverwaltetes Zentrum in Harburg ins Leben zu rufen. Aus ihr entstand (ab 2014) später die Sauerkrautfabrik. Seitdem haben wir viel darüber diskutiert, warum uns das Projekt eigentlich so wichtig ist und welche Werte hinter unserem Engagement und Handeln stehen. Nachdem Jahrelang über ein Selbstverständnis diskutiert wurde, die Ergebnisse über den Haufen geworfen und erneut angefangen wurde, sehen wir uns nun endlich in der Lage, ein umfassenderes Selbstverständnis zu verfassen.

Die SKF als politischer und kultureller Freiraum

Diese Wichtige Aussage steht am Anfang und wird schon seit Jahren auch in unserem Vorstellungsflyer verwendet. Allerdings kam es immer wieder zu unterschiedlichen Auffassungen, was ein Freiraum schlussendlich bedeute. Für uns bedeutet Freiraum, eine Gleichberechtigung unabhängig von Herkunft, Alter, dem Geschlecht und dem sozialen Status oder anderen konstruierten Kategorien. Ein Freiraum ist ein Raum, in dem sich alle nach ihren Bedürfnissen entfalten und einbringen können und so sich selbst und das Kollektiv bereichern. Freiraum bedeutet für uns Emanzipation. Für uns heißt das, dass der Raum von anderen Gruppen und Einzelpersonen genutzt beziehungsweise gestaltet werden kann und soll.

In einem kapitalistischen und patriarchalen System, das geprägt ist von Leistungsdruck, Anpassung, sozialen Konstrukten sowie Werten und Normen, die einzig und allein dazu dienen, den neoliberalen Status Quo mit all seinen Ungerechtigkeiten aufrechtzuerhalten, wollen wir zeigen, dass ein anderes, solidarisches Zusammenleben möglich ist. Obwohl wir nach einem solchen Leben streben, sind wir uns darüber im Klaren, dass dies im jetzigen System nicht komplett umgesetzt werden kann.

Da alle innerhalb dieses Systems sozialisiert werden, sind wir uns Bewusst, dass auch wir nicht frei von problematischen Verhaltensmustern sind. Es ist unerlässlich, dass wir unser persönliches Verhalten kontinuierlich hinterfragen und verändern.

Was wir wollen, ist einen Raum zu schaffen, in dem wir dieses andere Leben heute schon diskutieren und anstreben. Uns geht es besonders darum, dass sich jede*r Person nach ihren Möglichkeiten einbringt. Für uns ist kollektives und emanzipatorisches Leben keine Dienstleistung, die wir hier zum bloßen Konsumieren anbieten. Unser Zusammenleben soll so verstanden werden, dass alle gleichberechtigt und dazu bereit sind, Verantwortung für sich und ihr Umfeld zu übernehmen, damit die Bedürfnisse aller geachtet werden.

Da wir nicht das geringste Interesse daran haben, uns lediglich selbst zu bespielen, verstehen wir uns als politische Akteur*in, die mit anderen Gruppen, Initiativen und Strukturen zusammenarbeitet und sich vernetzt. Dabei wollen wir aktiv in die aktuelle (Stadtteil-) Politik eingreifen und diese gestalten.

Hierarchiefreiheit als zentrales Ideal

Um gemeinsam als Kollektiv handeln zu können und dabei dennoch die Freiheiten und individuellen Interessen der Einzelnen zu schützen wird versucht, auf alle Bedürfnisse gleichsam zu achten und auf diese einzugehen. Wir sind davon überzeugt, dass dies nur ohne Hierarchien realisiert werden kann. Wie und was in den Räumen passiert, entscheiden wir gemeinsam in einem offenen Plenum. Auf dem Plenum werden über alle Belange „das Projekt betreffend“ entschieden, von der Nutzung der Räume, über politische Themen und wie wir uns als Projekt gegebenenfalls dazu verhalten wollen, bis hin zu Absprachen, die im Projekt gelten, um allen eine möglichst einfache Nutzung der Räume zu ermöglichen. Auch thematisieren wir hier Dinge, die im Projekt schieflaufen und versuchen, Lösungen zu finden. Dabei treffen wir unsere Entscheidungen im Konsensprinzip; das Ziel ist es zu einer Entscheidung zu kommen, die alle Beteiligten mittragen wollen.

Um einer hierarchiefreien Atmosphäre näher zu kommen, achten wir darauf, uns bestehende und aufkommende Macht- und Herrschaftsstrukturen bewusst zu machen und diese zu hinterfragen. Dabei bemerken wir auch immer wieder hierarchische Situationen in unseren Zusammenhängen (z.B. Wissenshierarchien). Neben der Bewusstmachung dieser Hierarchien ist uns wichtig, Handlungsoptionen gegen diese zu entwickeln und umzusetzen.

Ein Freiraum mit Grenzen? Wo gibt‘s denn sowas?

Bestimmte Grenzen sind berechtigt und es gibt sie natürlich auch in der SKF. Die dabei wichtige Frage ist stets, wie werden die Grenzen/Regeln gesetzt bzw. definiert und ob für alle transparent ist,  warum sie bestehen.

Zum einen geht es um die Freiheit des Einzelnen, die dort endet, wo die Freiheit des Anderen beginnt. Nur wenn diese Faustregel verinnerlicht ist, kann unser hierarchiefreies Projekt gelingen. Wichtig ist, dass zusammen über diese Grenzen gesprochen wird und Regeln die wir uns geben, von allen getragen werden. Dabei dürfen diese Regeln nicht starr als „in Stein gemeißelt“ aufgefasst werden, sondern sie müssen bei Bedarf wieder in Frage gestellt und neu verhandelt werden können. Wir verstehen dies als ständigen Prozess und dürfen nie aufhören, uns zu hinterfragen und uns hinterfragen zu lassen.

Zum anderen ziehen wir eine klare Grenze zu Menschen und Gruppierungen, die sich über andere stellen und so unserem Verständnis von einer solidarischen und freien Gesellschaft entgegenstehen. Wir stehen ausdrücklich für Antifaschismus, (Pro) Feminismus und eine bunte Gesellschaft, in der für alle Platz ist. Als SKF bedeutet dies für uns, dass wir Menschen, die persönliche Grenzen überschreiten oder anderen ihre Existenzberechtigung absprechen wollen, nicht tolerieren.

Im Falle von Konflikten setzen wir auf gemeinschaftliche Verantwortung und transformative Prozesse. Daher versuchen wir soweit möglich auf die Zusammenarbeit mit staatlichen Strukturen zu verzichten.

Damit kommen wir zuletzt noch zu den Grenzen, die uns von außen aufdiktiert werden: Gesetze, wie beispielsweise Vereinsrecht, Steuerrecht und unzählige andere zwingen uns dazu, gewisse Maßnahmen umzusetzen, damit das Projekt weiter bestehen kann.

Zukunft

Wir arbeiten darauf hin, für möglichst viele weitere Menschen ein Anlaufpunkt zu werden, in dem sie sich ausprobieren, entfalten und einbringen können.

Die Sauerkrautfabrik versteht sich als ein Ort, der Teil einer globalen Umwälzung zu einer hierarchiefreien, friedlichen, solidarischen, sozialen und nachhaltigen Weltgemeinschaft sein möchte. Dies bedeutet für uns zwar global zu denken, aber lokal zu handeln. Deshalb werden wir auch weiterhin das geschehen in unserem Stadtteil und unserer Umgebung kritisch begleiten, gestalten und wenn nötig intervenieren.