10-9-8-7-6-5-4-3-2-1… 10 Jahre welt*RAUM in der Sauerkrautfabrik.
Autor: freku
90 Jahre „Wilhelmsburger Aufruhr“ Prozess – ein Rundgang
90 Jahre „Wilhelmsburger Aufruhr“ Prozess
Antifaschistischer Widerstand in Harburg-Wilhelmsburg
Ein Rundgang
Vor 90 Jahren am 31.01.1933 wurde in Wilhelmsburg eine Gruppe Stahlhelmer auf ihrem Rückweg von einer Nazidemonstration in Harburg beschossen, drei von ihnen wurden getroffen. Diese Ereignisse gingen als ‚Wilhelmsburger Aufruhr‘ in die Geschichte ein. Als Reaktion darauf wurden Eduart Hotze, Jupp Schneider, Louis Schulz, Leo Kunkolewski und Richard Trampenau festgenommen. Im Juli 1933 wurde Eduard Hotze und Richard Trampenau im Harburger Amtsgericht der Prozess wegen Mordversuchs gemacht.
Richard Trampenau der als einer der Köpfe der organisierten Arbeiter*innen in Harburg-Wilhelmsburg galt, wurde, obwohl er nicht einmal vor Ort war am 28.07.1933 zu Tode verurteilt. Er sollte im Hof des Harburger-Wilhelmsburger Amtsgerichts durch die Guillotine ermordet werden. Durch das unermüdliche Wirken seines Anwalts Dr. Wörmer und seiner Genoss*innen wurde das Todesurteil zu einer lebenslangen Haft umgewandelt – obwohl Trampenau sich weigerte den eigentlichen Schützen, dessen Name bis heute unbekannt bleibt, zu denunzieren.
Richard Trampenau saß bis zum Ende der Naziherrschaft in Haft; erst in Harburg, dann in Celle, von wo aus er kurz vor der Befreiung Celles auf einen Todestransport nach Wolfenbüttel geschickt wurde.
Auf einem Rundgang durch Harburg möchten wir zusammen mit Bea Trampenau, der Tochter Richard Trampenaus, dem VVN-BdA an den ‚Wilhelmsburger Aufruhr‘, die Inhaftierung Trampenaus und Harburger Widerstand gegen den deutschen Faschismus erinnern.
03.09.2023
Treffpunkt: 14:30
Sauerkrautfabrik (Am Wall 21, 21073 Hamburg)
P.S.: Der Rundgang wird maximal 2 Stunden dauern und circa 4 km lang sein
Aktuelle Infos findet ihr zu gegebener Zeit in der Facebookveranstaltung: https://www.facebook.com/events/2938726816261388
8. Mai – Tag der Befreiung
„Antifaschismus muss Grundlage unserer Gesellschaft sein!“
Die Sauerkrautfabrik Harburg unterstützt den Aufruf vom Bündnis zum 8. Mai 2023 in Hamburg und ruft zur Teilnahme an den geplanten Aktivitäten auf.
Hier ein kurzer Ausschnitt aus dem Aufruf:
Es gibt Tage, an denen halten wir inne – wir erinnern uns, wir gedenken.
„Und wir fragen uns, was das Geschehene uns für die Zukunft auf den Weg gibt. Der 8. Mai ist so ein Tag. Wir wollen an diesem Tag zusammenkommen, um „über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit“, wie die im Juli 2021 verstorbene Holocaust-Überlebende Esther Bejarano es ausdrückte, denn: Am 8. Mai 1945 wurden weite Teile Europas von den alliierten Streitkräften vom Faschismus befreit. Die Befreiung von der Schreckensherrschaft der Nazis beendete das systematische Ermorden und Vernichten, dem viele Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind: Juden und Jüdinnen, Sinti*zze und Rom*nja, politische Gegner*innen, Homosexuelle, sogenannte „Asoziale“ und Widerstandskämpfer*innen, darunter auch viele Gewerkschafter*innen.
Wir, die den 8. Mai als Tag der Befreiung und der Befreiten feiern, erinnern uns an die Berichte der Überlebenden zu den ersten Maitagen 1945. Und wir wollen am 8. Mai besonders an die Hoffnung der Befreiten auf eine Welt ohne Kriege, Elend und Unterdrückung erinnern und diese als Auftrag nehmen, weiter an der Schaffung einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit zu arbeiten, so wie es die befreiten Häftlinge von Buchenwald geschworen haben. Ein offizieller bundesweiter Feiertag wäre dafür die regelmäßige Verpflichtung – Nicht nur, aber eben auch an jedem 8. Mai.“
Den kompletten Aufruf findet ihr unter https://8-mai-hamburg.de/aufruf23/.
Wir sehen uns auf der Demo und auf dem Fest, dort haben wir auch einen Stand und freuen uns über euren Besuch und ein Gespräch bei einem Getränk.
Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg!
Veranstalungshinweis – Alternativer Hafengeburtstag
Aufruf zur Demo in Gedenken an Gustav Schneeclaus
Diesen Samstag jährt sich der Mord an dem Kapitätn Gustav Schneeclaus in
Buxtehude zum 31. Mal. Weil er Hitler als größten Verbrecher bezeichnet
hatte, wurde er von zwei Neonazis zu Tode geprügelt. Einer der Täter –
Stefan K – beging im Dezemeber 2017 erneut einen rassistisch motivierten
Anschlag: Er zündete einen selbstgebauten Sprengsatz am S Bahnhof
Veddel. Festgenommen wurde er in Sichtweite der SKF.
Auch dieses Jahr erinnern Antifaschist*innen wieder an Gustav
Schneeclaus. Dieses mal am 18.03. um 12 Uhr in Buxtehude am Geschwister
Scholl-Platz. Kommt zahlreich.
Mehr über den Mord an Gustav Schneeclaus findet ihr hier:
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/todesopfer-rechter-gewalt/gustav-schneeclaus-staatlich-anerkannt/
Housing Action day – Sauerkrautfabrik meets Li.fa e.V.
Auch wir sind dieses Jahr dabei und haben uns dafür eine Gruppe aus Harburg eingeladen, welche sich genau mit diesem Thema befasst, dem Li.fa e.V. (https://lifa-harburg.org/).
Eure SKF-Crew
Alternativer alternativer antifaschistischer Hafengeburtstag 2021
Am Sonntag, den 9. Mai, organisieren wir, die Sauerkrautfabrik Harburg, in Zusammenarbeit mit dem Infoladen Wilhelmsburg, dem LiZ, dem Incito, dem Viertelzimmer sowie dem Centro Sociale als Alternative zum antifaschistischen Hafengeburtstag einen Livestream. Zum Stream könnt ihr euch in eurem Zentrum vor Ort mit allerlei Köstlichkeiten versorgen: Der Infoladen Wilhelmsburg ist ab 13:12 - 21 Uhr mit Soli-Schnaps & Vöner dabei, https://infoladen-wilhelmsburg.blackblogs.org/2021/05/05/am-sonntag-9-5-findet-der-alternative-hafengeburtstag-wieder-im-kleinen-statt-5-fuer-2-voener/ das Incito versorgt euch mit Burgern ab 15 Uhr, im Centro Sociale gibt es ab 15 Uhr Crépes,https://www.viertelzimmer.net/ https://www.centrosociale.de/ das LiZ bietet von 15 bis 18 Uhr Kaffe-und-Kuchen-to-go, https://libertaereszentrum.wordpress.com/ im Vierteilzimmer gibt es von 16-19 Pizza-to-go. https://www.viertelzimmer.net/ Wir streamen live aus der Sauerkrautfabrik. Das Motto des Livestreams ist „Recall 2020!“ – was gab es im letzten und aktuellen Jahr an antifaschistischen, außerparlamentarischen, politischen oder zivilgesellschaftlichen Aktivitäten in Hamburg und Umgebung? Neben inhaltlichen Inputs, wird es auch Musik und Kunst (Solishirts) geben! Das klingt alles noch ziemlich geheimnisvoll? Bald bekommt ihr hier mehr Infos und einen genauen Timetable, damit ihr gar nichts verpassen könnt! Stream und Infos: https://www.facebook.com/events/1412615189084145
Ein Plädoyer für Staatskritik, aber kein Bündnis mit Rechtsaußen!
Querdenken; laterales Denken: diese Begriffe bezeichnen eine Tradition des Hinterfragens von gefestigten Normen und Handlungsanleitungen.
Der Anspruch dieses Ansatzes wurde die letzten Monate ad absurdum geführt. In ganz Deutschland sind Gruppen die sich das Label der Querdenker*Innen auf den Aluhut schreiben aufgetaucht und haben die Kritik an dem Staat, in dem sie leben, für sich entdeckt. Auf dem ersten Blick scheint dies angebracht: Es gibt genug zu beanstanden.
Doch was wird beanstandet und welche Schlussfolgerungen trifft die Querdenken-Bewegung?
Das Ziel der Proteste sind die Maßnahmen, welche von den Regierungsbeauftragten zur Eindämmung der Corona-Pandemie auf uns niedergelassen wurden. Aber nicht konkrete Maßnahmen und ihre Funktionen werden kritisiert, sondern alle zusammen, der ganze Maßnahmenpudding, inklusive Abstandhalten und Masketragen, wird von den Querdenker*innen abgelehnt, gleichwohl sie wissenschaftlich als wirksam bewiesen wurden.
Sie werden sie alle als unverhältnismäßig, übertrieben und diktatorisch bezeichnet. Es wird verlangt jetzt mal nen Schlussstrich zu machen und wieder zur schon nostalgischen Normalität zurückzukehren.
Diese Forderung nimmt bewusst in Kauf, dass zig tausende Menschen täglich sterben – der Freiheit Einzelner wegen.
Als Grundlage werden meist immer dieselben Ausschnitte aus dem Grundgesetz der BRD zitiert: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“(Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art 1(1)). Impliziert wird hier, dass die Würde der Querdenker*Innen von den bestehenden Maßnahmen zur Beherrschung der Pandemie verletzt wird. Doch mit den Protesten, welche häufig ohne Maske und Abstand statt finden, wird vielmehr die Würde von anderen Menschen verletzt sowie ihr Recht zur körperlichen Unversehrtheit missachtet. Ganz bewusst und mit der absoluten Sicherheit hier richtig zu handeln, wird das eigene Recht auf Freizügigkeit während einer Pandemie über alle anderen Rechte gestellt. Totalitärer Egoismus.
Um diesen moralischen Widerspruch zu erklären, radikalisiert sich die Querdenken-Bewegung im Glauben, dass eine geheime Elite das Virus in die Welt gesetzt hab und dass die Bürger sowie Staatsbedienstete zu Marionetten wurden. Die Hintergründe realer Verhältnise werden zum Mythos.
Dieser Glaube folgt dem alten antisemitischen Narrativ über eine jüdische Weltverschwörung, welches von der Querdenker*Innen reproduziert und damit verstärkt wird.
Zugleich entstand die auf Querdenken-Demos vollständig unwidersprochene Situation, dass die Coronaleugner*innen einerseits Jüd*Innen als Täter*Innen identifizierten und andererseits sich selbst mit Holocaustopfern verglichen. Von Anfang an waren bei den Demonstrationen gelbe „Judensterne“ in Anlehnung an die NS-Zeit zu sehen. Der Appell der Regierenden möglichst zu Hause zu bleiben, wurde mit der Situation in den 1940er Jahren gleichgesetzt, in der Juden sich verstecken mussten, um ihr Leben zu retten.
Reale Verwerfungen unseres ökonomischen Systems wurden und werden nicht angezweifelt, sondern zur gesteuerten Verschwörung erklärt.
Allen Reichsbürger*Innen, Neonazis, Q-Anons oder Attila Hildmans wurde mit dem gezielten Wiederholen und Weiterleiten weltverschwörerischer Inhalte sowohl in verschiedenen Chatgruppen im Internet, auf Videoplattformen sowie auf allen sozialen Medien immer wieder eine Bühne geboten. Der Mythos hat reale Folgen:
So gründeten sich bis Ende des letzten Jahres knapp 70 Ableger der Querdenken-Bewegungen in allen Teilen Deutschlands, welche zur Verbreitung der Verschwörungsideologien aufriefen.
Die gesamte Bewegung zeigt sich offen für Reichsbürger*innen, NPD-, AfD- und Nazikader und wird teils auch gegen ihren Willen von diesen vereinnahmt, in dem von rechtsextremistischen Gruppen einerseits Aufrufe zu Querdenken-Versammlungen aufgerufen wird, andererseits indem sich einschlägige Personen des rechtsextremen, identitären und völkisch-nationalen Spektrums auf Querdenken-Demos blicken lassen.
Neueste Masche des Querdenken-Ablegers in Hamburg ist das Aufrufen zu dezentralen Autokorsos („Freiheitsfahrer“), welche im Schutz der Polizei in wechselnden Stadtteilen die absurden Inhalte per Lautsprecherwagen verbreiten und aktiv zur Mitarbeit anwerben.
Ein kritisches Hinterfragen der Maßnahmen ist notwendig, darf aber nicht auf dem Rücken der Menschen die von der Pandemie betroffen sind und schon gar nicht als Teil von antisemitischen Schuldzuweisungen einer Weltverschwörung stattfinden.
Dank des Internets und grundlegender Menschen- und Versammlungsrechte, die auch während der Pandemie gelten, leben wir in einem Verhältnis des ständigen Austauschs miteinander. Wir sind voneinander abhängig. Wir brauchen einander.
Der Staat und das Handeln seiner Funktionträger*Innen muss kritisch hinterfragt werden. Zustände müssen nicht in ihrer unbewusst oder bewusst erschaffenen Normalität als in Stein gemeißelt angenommen werden. Diese Zustände werden tagtäglich von uns erhalten und reproduziert. Wir haben dennoch Handlungsmacht diese zu ändern.
Es sind keine Zustände, die sich in der Pandemie entwickelt haben, denn die Auswirkungen einer auf Ausbeutung und Profitgier bestehenden Gesellschaft zeigen sich seit Jahrhunderten und sind das eigentliche Problem. Nach nun über einem Jahr Pandemie hat sich eines gezeigt: Die Art wie unsere Gesellschaft aufgebaut ist, welche Menschen tagtäglich den Laden am Laufen halten. Menschen und deren Arbeit, die wir sonst im Alltag nicht wahrnehmen.
Es sind die Supermarktkassierer*In, die Pflegekraft, die Reinigungskräfte, die Spargelstecher*Innen, die Pädagog*Innen und Erzieher*Innen. Sie schaffen die Voraussetzungen, die Infrastruktur auf die wir uns verlassen, welche wir zum Leben brauchen. Es sind diese Arbeiten die von Menschen gemacht werden müssen. Überwiegend von Frauen* die oft schlecht bezahlt werden und/oder prekäre Aufenthaltsverhältnisse in Deutschland haben. Eine muss halt die Drecksarbeit machen, Pech gehabt. Es geht um einen Staat dessen Regierungsmitglieder und Parlamentsmitglieder bei dem Wort „Umverteilung“ den Kommunismus heraufbeschworen sehen, aber dabei keinen Widerspruch bei der Sozialisierung von Firmenschulden sehen. Die so genannte Normalität und die Auslegung der Grundrechte, welche Querdenken einfordert, sind eben solche, die zu der jetzigen Situation der Pandemie geführt haben.
Die Frage lautet deshalb: In welcher Gesellschaft wollen wir leben?
„Querdenken“-Autokorso in Harburg
Seit ein paar Wochen haben die Verschwörungsideolog*innen aus dem „Querdenken“-Kontext die Aktionsform des Autokorsos für sich entdeckt.
Der nächste Autokorso startet diesen Samstag (27.03.)um 12 Uhr in Harburg. Dies ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die letzten Autokorsos in der Innenstadt von engagierten Antifaschist*innen auf Fahrräder immer wieder maßgeblich gestört wurden.Obwohl viele Cops im Einsatz waen, waren die Antifaschist*innen auf ihren Rädern einfach schneller, wendiger und immer wieder in der Lage den Korso zu stören.
Aufgrund des eher abgelegenen Startpunkts (Am Radeland) erhoffen Cops und Anmleder*innen vermutlich, dass es der antifaschistische Gegenprotest es nicht über die Elbe schafft und zumindest der erste Teil des Korsos (der vermutlich in Richtung Innenstadt fährt) ungestört stattfinden kann.
Leider wissen wir aus Erfahrung, dass diese Hoffnung nicht ganz unbegründet ist und der Sprung über die Elbe für viele doch ein großer zu sein scheint. Nichtsdestotrotz bieten fehlende Ausweichstrecken eine Vielzahl an Möglichkeiten, um den Autokorso auch hier in Harburg zu einem Misserfolg werden zu lassen.
Also schnappt euch eure Maske und schwingt euch mit uns aufs Rad!
P.S.: Aus Erfahrungen bei vergangenen Autokorsos wissen wir, dass Teilnehmer*innen auf Störungen teilweise sehr aggresiv reagieren und auch vor Angriffen nicht zurückschrecken. Gerade Autos werden in der rechten Szene als Waffe immer beliebter. Deshalb achtet auf euch, achtet auf Andere. Bildet Bezugsgruppen und organisiert antifaschistischen Selbstschutz, verlasst euch nicht auf die Hilfe des Staates!
Problematische Zeitungen in der SKF
Vor ein paar Tagen veröffentlichten einige Hamburger Gruppen eine Stellungnahme zu Vorkommnissen bei denen unter anarchistischer Flagge problematische Äußerungen getätigt wurden.
Wir haben das Statement zwar als Gruppe nicht unterzeichnet, teilen aber die inhaltliche Kritik an sozialdarwinistischen und ableistischen Thesen in den Magazinen.
Auch bei uns lagen einige Ausgaben des „Zündlumpen“ und der „In der Tat“ in der Auslage, ob es sich um die entsprechenden Ausgaben handelt, können wir leider nicht mehr nachvollziehen, können es aber nicht ausschließen. Wir bedauern sehr, dass wir Zeitungen mit solchen Aussagen ausgelegt haben, das hätte nicht passieren sollen. Wir halten es deshalb für wichtig dies wenigstens im Nachhinein transparent zu machen und das Statement zu teilen, auch ohne es zu unterzeichnen.
Das Statement findet ihr im Original auf Indymedia, da Indymedia aber teilweise schwer zu erreichen ist, haben wir das Statement unten nochmal angehängt.
Denn sie wissen, was sie tun
Gerade während einer weltweiten Pandemie ist die Notwendigkeit von Solidarität und Verantwortung besonders groß. Insbesondere Anarchist*innen sollten diese Werte ohnehin in ihrem Selbstverständnis verinnerlicht haben. Leider lesen und sehen wir dieser Tage aber immer wieder Texte, Graffiti und Plakate von Leuten, die meinen, Anarchist*innen zu sein, aber leider nicht zu wissen scheinen, was dieser Begriff eigentlich bedeutet1. Deshalb aus anarchistischer Sicht einige Gedanken zu den Vorkommnissen.
Als Beispiele seien hier aufgeführt die „anarchistische“ Zeitung Zündlumpen, die Plakate „Anarchie statt Plandemie“ in Hamburg und ein Graffito an einem Hamburger Pflegeheim sowie ein Beispiel aus der „In der Tat“ Nr. 7.
Grafitto „I´d rather die of corona than live in a social coma“
An ein Pflegeheim in Hamburg-Harburg wurde der Slogan „I´d rather die of corona than live in a social coma“ nebst Anarchiezeichen gesprayt. Wenn das Graffito nicht von den Pflegeheimbewohner*Innen selbst kommt, dann ist es mindestens geschmacklos. Als Anarchist*in, pflegebedürftigen Menschen vorzuschlagen, doch lieber zu sterben, als „social distancing“ zu betreiben, zeugt nicht davon, den Wert von Menschenleben schätzen zu können und akzeptiert auch nicht die Entscheidung vieler pflegebedürftiger Personen, nach Möglichkeit Ihre Kontakte bis zu einer Impfung zu reduzieren, um überhaupt zu überleben.
Zündlumpen
Während die Zündlumpen früher zumindest manchmal noch mehr oder weniger spannende Beiträge zum anarchistischen Diskurs geliefert haben, haben sie sich mittlerweile leider aus dem Spektrum der ernstzunehmenden Projekte verabschiedet.
Die Werte, die mittlerweile in dieser Zeitung vertreten werden, lassen nur den Schluss zu, dass Sozialdarwinismus und Egoismus über ur-anarchistische Werte, wie Solidarität, Respekt und gegenseitige Hilfe gestellt werden.
Hier wollen wir nur auf ein besonderes „Highlight“ eingehen:
„Wenn es bestimmt einer „Risikogruppe“ zugeordnete Leute gibt, welche ihr – real oder mögliches – gering statistisch erhöhtes Sterberisiko derart über sämtliche Bedürfnisse aller anderen stellen, dass sie denken, um dieses zu mindern, gehöre die halbe Menschheit, wenn nicht sogar die ganze, eingesperrt… nun, solche Leute mag es geben. Aber sie haben zumindest eins auf die Fresse verdient, auch wenn man davon absehen mag – angesichts ihres schwächelnden Zustands. Sie könnten doch auch einfach einfordern, von anderen bei ihrer Selbstquarantäne unterstützt zu werden. Aber ja, es gibt eben nicht nur solche, welche die leichte Verlängerung ihres wahrscheinlich ohnehin schon leidvollen Lebens über die Freiheit – und sei es nur die gestrige, lächerliche Freiheit in der Demokratie – aller anderen stellen. Es gibt zumindest auch kranke, schwache, lungengeschädigte, alte, etc. Menschen, welche nicht komplett spinnen und verstehen, dass ihr Sterben – wobei dieser Prozess ja bei den meisten „Risikogruppen“-Zugehörigen ohnehin schon begonnen hat – nicht dazu herhalten sollte, alle zuhause einzusperren und die menschliche Zivilisation in ein riesiges Lager zu verwandeln“.2
Dieser Text kann nur von Leuten geschrieben und veröffentlicht worden sein, die kein Problem damit haben, ihren Egoismus auf den Rücken von Kranken und Schwachen auszuleben. Wer behauptet, die Leute, die einer Risikogruppe angehören und ein Mindestmaß an Solidarität von der Gesellschaft einfordern, hätten „eins auf die Fresse verdient“, hat offensichtlich die Grundlagen des solidarischen Zusammenlebens, geschweige denn einer anarchistischen Weltanschauung, nicht verstanden.
Die Bewertung von anderem Leben als „wahrscheinlich ohnehin schon leidvoll“ und der darauffolgenden Forderung, dass die Gesellschaft doch bitte ohne Rücksicht auf diese ihre Freiheiten ausleben soll, dass das Leben der Alten und Schwachen also so wenig Wert ist, dass sie ruhig sterben können, damit der Rest keine Rücksicht auf sie nehmen muss, erinnert schnell an Euthanasie-Programme der Nazis.
Plakate „Anarchie statt Plandemie“
Mehr als ein Mal mussten wir leider auch unter dem Label des Anarchismus die Verschwörungstheorie vernehmen, dass es sich bei dem Virus nicht um ein natürliches Phänomen handelt, sondern um etwas, was von „den Herrschenden aka die da oben aka den geheimen Mächten“ geplant und inszeniert worden ist.
Mal dahingestellt, ob Anarchismus links ist oder nicht, auf jeden Fall ist er nicht rechts. Und wer die Querdenker etc. rechtfertigt oder sich durch Plakate auf eine Verschwörungsstufe mit ihnen stellt, macht sich mit Rechten gemein. Querfront war noch nie anarchistisch und wird es auch nie sein.
In der Tat
Auch die Zeitschrift „In der Tat“ ist leider nicht frei von Verschwörungstheorien. In der Nr. 7 fanden wir z.B. den Text „Asymmetrisch“.3 Dort wird die Ansicht vertreten, die „Krise“ sei aus dem Boden gestampft, der Virus folge gewissermaßen einem Plan, bzw. einer Strategie. Die Herrschenden/Mächtigen/Wer auch immer hätten den europäischen Teil der Pandemie bewusst in Italien gestartet: „Meines Erachtens nach ist es kein Zufall, dass der europäische Teil der Pandemie gerade in Italien „seinen Anfang nahm“. Im Nachhinein gesehen stellt der italienische Staat die richtigen Voraussetzungen bereit für die durchzusetzenden Maßnahmen – die Bildung ist schon lange heruntergefahren worden und die Medien laufen schon lange Hand in Hand mit der Regierung und der Polizei, um nur zwei Punkte zu nennen – und konnte demnach gut als Blaupause für das nunmehr europäische Modell dienen.“ Die einzige Interpretation, die da verbleibt, ist die, dass irgendwer-da-oben gezielt eine Pandemie lenken würde, um seine Ziele zu erreichen. Das ist ungefähr so realistisch wie die Theorien der „Querdenker“, die behaupten Bill Gates hätte den Virus in die Welt gesetzt, um der Weltbevölkerung Mikrochips zu implantieren.
Für uns ist ganz klar, dass eine solche Sichtweise dem anarchistischen Kampf zuwiderläuft. Um glaubwürdig zu bleiben und sich nicht lächerlich zu machen, sollten wir uns als Anarchist*innen an die Realität und die Tatsachen halten und keine absurden Verschwörungstheorien in die Welt setzen, nur weil es auf den ersten Blick praktisch ist, alles auf „die da oben“ zu schieben.
Was bleibt?
Wäre es nur dumm, wäre es noch egal. Aber es ist mehr als das. Es ist gefährlich, unsolidarisch und ignorant. Anarchismus impliziert auch, jede Form von Sozialdarwinismus und Ableismus abzulehnen und seine Revolution ganz sicher nicht auf den Rücken der alten und kranken Menschen aufzubauen. Mit Leuten, die diese Grundsätze nicht begriffen haben oder nicht begreifen wollen, kann man als Anarchist*in nicht unter einer Fahne laufen.
Der Staat ist zu jeder Zeit in all seinen Formen abzulehnen. Darüber müssen wir (hoffentlich) nicht mehr reden. Die überwiegend notwendigen Maßnahmen und Einschränkungen aber nur deshalb abzulehnen, weil auch der Staat sie für notwendig hält, ist deutlich zu einfach.
Vielmehr sollten wir als Anarchist*innen versuchen, einander zu unterstützen, für ein solidarisches, selbstorganisiertes Gesundheitswesen kämpfen und selbstverständlich die staatlichen Auswüchse die tatsächlich nur zur Kontrolle der Bevölkerung und nicht zur Eindämmung des Virus´ führen bekämpfen. Der Staat und mit ihm der Kapitalismus versuchen selbstverständlich aus jeder Situation, auch aus dieser, gestärkt hervorzugehen. Diesen Anspruch sollten wir auch haben.
Für die Freiheit! Für die Anarchie!
Abschließend soll gesagt werden, dass wir als Anarchist*innen uns von solchen Äußerungen und solchem Gedankengut klar distanzieren und dazu aufrufen, den Verursacher*innen dieser pseudoanarchistischen Absonderlichkeiten keinen Raum zu geben:
1 Damit wollen wir natürlich nicht sagen, dass wir die alleinige Interpretationshoheit darüber beanspruchen, was Anarchismus bedeutet.
2 Bei Interesse (nicht zu empfehlen): Zündlumpen, 15.04.2020, https://zuendlumpen.noblogs.org/post/2020/04/15/tod-den-statistikern/
3 Wir würden Euch auch hier gerne einen Link präsentieren, allerdings ist die „In der Tat“ in einem Maße technik-feindlich, dass sie es nicht über sich bringt, ihre Publikation im Internet einem möglichst breiten Publikum zur Verfügung zu stellen. Aber vielleicht ist das auch nicht weiter schlimm.